Wer sich längst festgelegt hat, was dieser Oerding für Musik macht, sollte Konturen mit Vorsicht genießen – alle anderen werden sich freuen: Johannes Oerdings sechstes Studio-Album ist ein Fest aus lässigem Pop, knackigem Elektro, satten Streichern, reduziertem Beat, NDW-Übermut und orchestralem Filmmusik-Pathos. Mit scharfkantigen Texten und Themen schleift diese selbstbewusste Platte gewaltig am Profil eines Musikers, der noch jede Menge Asse im Ärmel hat.
Dabei ist sein Blatt schon jetzt überzeugend: Alle Alben melden Gold – die beiden letzten sogar Platin – der Titeltrack von „Kreise“ ist seine zweite vergoldete. Gleichzeitig spielt er nach wie vor 80 Shows im Jahr und steht mit Maffay, Lindenberg und anderen Kollegen auf der Bühne. Das Geheimnis? Bei aller Experimentierfreude auf Konturen hat sich Oerding kein Stück Verändert. Er lässt sich nicht davon ablenken, was Musikmachen für ihn bedeutet: Lieder schreiben und auf der Bühne stehen.
Die neuen Songs allerdings dokumentieren einen bemerkenswerten Reifeprozess: „Ich wollte wieder mehr auf meine innere Stimme hören und mich noch mehr trauen. Auf Konturen sind z.B. auch mehr politische Songs. Es gibt Dinge, die jetzt dringend laut ausgesprochen werden müssen und die Songs richten den Blick über den Tellerrand, auf unsere Gesellschaft. Das Album handelt von Themen, über die ich noch nie oder nicht auf diese Weise gesungen habe.“ Ein glänzendes Beispiel ist Besser als jetzt. Warmherzige Demo-Vibe und Lagerfeuer-Gitarren täuschen nicht darüber hinweg, dass Oerding direkt anspricht, was seiner Meinung nach schief läuft: „Wo sind die Dichter und Denker? Seh’ nur noch Richter und Henker. Nehmen wir das wirklich so in Kauf? Reicht’s dir nicht auch? Ich schreib mal was auf.“
Konturen ist die erste Platte von Oerding, die für ihn nicht nur ein guter Grund ist, auf Tour zu gehen. Er will, dass diese 13 Songs wirklich gehört werden. Dass nicht nur er sich auf Wenn du gehst mit Abschied beschäftigt; dass sich bei Anfassen jeder an die eigene Nase greift, wenn es um digitale Süchte geht; dass wir selbst entdecken, mit wem er auf Ich hab’ dich nicht mehr zu verlieren singt, und dass man nicht nur wegen All in erkennt, dass er alles, was er kann in dieses Album gesteckt hat. „Konturen ist ein großer Schritt. Ich habe viel Klimbim weggelassen, mich geöffnet und bin mir als Songwriter treu geblieben. Mein roter Faden ist nicht rot – er ist bunt.“